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20.12.2022

Mehr Agentur verstehen #43

Das Experiment mit der 38-Stunden-Woche

VON JAN FRANKOWSKI | 20.12.2022

Die Testphase geht zu Ende ... 

Mitte des Jahres haben wir uns dazu entschlossen, dass wir weniger arbeiten wollen. Warum? Weil wir die Hoffnung hatten, entspannter, kreativer und erholter zu sein, wenn wir bereits am Freitag um 12 Uhr ins Wochenende starten. Zudem hilft uns die 38-Stunden-Woche beim Recruiting neuer KollegInnen und zeigt, dass wir mit der Zeit gehen. Da wir als Dienstleister einen sehr großen Wert auf Kundenzufriedenheit legen, war die verkürzte Arbeitszeit jedoch erst einmal als Feldversuch angelegt. Zeitraum: sechs Monate. Ergebnis: offen.

Nun, ein knappes halbes Jahr später, befinden wir uns auf der Zielgeraden der Testphase und sind um einige Erkenntnisse reicher. Da wir transparent aufklären wollten, was wir in den sechs Monaten über unsere Arbeit mit den KundInnen und im Team sowie über die gewonnene Zeit am verlängerten Wochenende gelernt haben, hier ein Resümee.

Die Prämisse

Bevor wir einen Strich unter die Aktion setzen, vielleicht noch einmal ein Blick auf unser Vorgehen: Zunächst wurde das Vorhaben im Team besprochen, diskutiert und die möglichen Fallstricke ausfindig gemacht. Schnell wurde deutlich, dass keine/r der KollegInnen etwas gegen das verlängerte Wochenende hatte – auch wenn es zunächst einmal Mehrarbeit von Montag bis Donnerstag bedeutete. Denn: Damit wir auf 38 Stunden kommen und am Freitag um 12 Uhr Feierabend machen können, muss an den übrigen vier Tagen 8,5 Stunden gearbeitet werden. Damit unsere KundInnen nach wie vor immer eine/n AnsprechpartnerIn haben, stellen wir das Telefon ab Freitagmittag auf eine/n unserer Vollzeit-Mitarbeitenden um, die im Wechsel für den Freitagsdienst zuständig sind.

Die Umsetzung

Der Vorteil einer Agentur unserer Größe ist, dass wir schnell reagieren und Prozesse anpassen können. Wichtig dabei ist, Eventualitäten zu bedenken, alle Teammitglieder zu Wort kommen zu lassen und lösungsorientiert zu arbeiten. Demnach bestand der erste Schritt darin, unsere KundInnen auf die Änderung aufmerksam zu machen – mit unserer E-Mail-Signatur, Blogbeiträgen und Social-Media-Posts. Zudem wurde montags in unserer internen Morgenrunde darüber gesprochen, ob und welche Telefonate am Freitagnachmittag noch eingegangen sind und wie von der/dem jeweiligen AnsprechpartnerIn darauf reagiert wurde. War eine Weiterleitung zu einer/m der KollegInnen nötig? Wie viele Anrufe haben uns erreicht und wurde rechtzeitig daran gedacht, die Rufumleitung wieder rauszunehmen?

Die Erkenntnisse

  1. Die wohl wichtigste Erkenntnis war, dass die 38-Stunden-Woche unserem Kundenservice keinen Abbruch getan hat. Wir sind weiterhin dann für die KundInnen da, wenn sie uns brauchen. 90 Prozent der Anfragen, die am Freitagnachmittag bei uns eingegangen sind, konnten auch in der darauffolgenden Woche bearbeitet werden. Alle weiteren sind dank unserer Meldekette bei dem/der richtigen AnsprechpartnerIn gelandet. Fälle, in denen schnelles Handeln erforderlich war, wurden sofort an die zuständige Person weitergeleitet und erledigt. So garantieren wir, dass auch unser Aushängeschild, die Krisenkommunikation, jederzeit reibungslos erfolgen kann.
     
  2. Es tat gut, bereits mittags ins Wochenende zu starten. Gerade in der ersten Zeit war es zwar ein komisches Gefühl, dass man schon so früh auf dem Weg nach Hause war, irgendwann wurde es jedoch zur Gewohnheit.
     
  3. Wir haben es selten geschafft, wirklich pünktlich um 12 Uhr das Büro zu verlassen. Das gehört auch zur Wahrheit. Schnell noch einen Text fertig machen, eine Mail beantworten oder ein Posting online stellen – schwupps war es 13 oder 14 Uhr. Pünktlich das Ende zu finden, ist Übungssache und fühlt sich für manche KollegInnen selbst nach sechs Monaten noch wie eine unlösbare Aufgabe an. Zumal wir uns ja alle dazu committet haben, dass wir auch am Freitag länger bleiben, wenn es viel zu tun gibt. Die Kombination aus diesen beiden Umständen führt dann schnell dazu, dass immer die gleichen KollegInnen länger im Büro sitzen. Daraus müssen wir Schlüsse ziehen, die Arbeit besser verteilen und so dafür sorgen, dass für alle die gleichen Regeln und Benefits gelten. In diesem Punkt sind wir noch lange nicht am Ziel.
     
  4. Die vier Stunden am Freitag zählen zu den produktivsten der Woche. Da wir an dem Tag – mehr als an anderen Tagen – gegen die Uhr arbeiten, herrscht am Freitagvormittag im Büro meist konstruktive Stille. Jede und jeder versucht das Tagespensum möglichst effizient zu erfüllen.
     
  5. Das Feedback von KundInnen und PartnerInnen, aber auch von BewerberInnen war durchweg positiv. Alle fanden den Schritt mutig, sinnvoll und sehr interessant. Viele haben sich über den Stand und unsere Erfahrungen erkundigt und uns ermutigt, daran festzuhalten.

Das Fazit

Das Experiment der 38-Stunden-Woche bleibt nach der erfolgreich bestandenen Testphase fester Bestandteil unserer Arbeit. Dabei ist es wichtig, dass wir die Sache als Team angehen und uns nicht auf dem Rücken einzelner KollegInnen, die immer länger bleiben, ausruhen. Zugleich müssen wir unsere Flexibilität bewahren und auf sich verändernde Kundenansprüche reagieren können. Wir sind selbstreflektiert und arbeiten konstant daran, Prozesse zu optimieren, ohne dass Mitarbeiter- oder Kundenzufriedenheit darunter leiden. Internes und externes Feedback zeigen uns, dass wir als moderne und dienstleistungsorientierte Agentur damit auf dem richtigen Weg sind.

ganzkörperbild von jan frankowski

Über den Autor:

Jan Frankowski
0911 9747827
jan.frankowski@kontext.com

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